31. März 2015

Radkennzeichen bringen nichts

Die Schweiz hat die Nummernschilder für Velos nach fünfzig Jahren 2011 wieder abgeschafft. Sie dienten übrigens dem Nachweis einer Radhaftpflichtversicherung. 

Wir denken in der Regel an was anderes, wenn wir auf Kampfradler schimpfen und ein Radkennzeichen fordern: Wir glauben, damit sei ein Radrowdy leicht identifiziert und könne angezeigt werden, auch wenn er sich davongemacht hat. Stellen wir uns das mal ganz praktisch vor: Ich werde von einem Radler gestreift und stürze. Der Idiot fährt weiter. Habe ich das Nummernschild am Rad gesehen? Habe ich mir die kleinen Zahlen gemerkt? Nein. Es ging alles so schnell.


Wikpedia Ralf Roletschek (Lizenz) Velovignette
Und abgesehen davon, es würde mir nichts nützen. Siegfried Brockmann von der UDV (Unfallforschung der Versicherer) erklärt dazu in einem Artikel des Tagesspiegel, wenn im fließenden Verkehr ein Autofahrer Unfallflucht begeht, müsse man den Fahrer ermitteln. Dafür brauche man nicht nur das Kennzeichen, sondern auch jemanden, der "geistesgegenwärtig den Fahrer fotografiert". Sonst kann der Halter des Fahrzeugs bestreiten, dass er selbst gefahren ist, und sich unwissend stellen, so wie es etliche bei Blitzerfotos tun. Nicht das Rad ist entscheidend, sondern wer darauf gesessen hat, als es mich umfuhr.

Die Versicherungswirtschaft denkt bei Radkennzeichen vor allem an Haftung für abgerichtete Schäden. Und in der Schweiz war die Vignette ein Haftpflichtnachweis so wie bei Autofahrern. Für das, was Radler anrichten, springt jetzt und bei uns auch die private Haftpflichtversicherung ein. Nur sollte man unbedingt eine haben.

Eine Halterhaftung lehnen viele Juristen ab, sagt Brockmann. Denn man kann den Besitzer des Rades nicht für etwas haftbar machen, was er womöglich tatsächlich nicht begangen hat. Der Beweis, dass er oder sie und kein anderer bei einem illegalen Verhalten auf dem Rad saß, muss eben auch erbracht werden. Und wenn der Unfallverursacher - hier der Radler - nicht flieht (was er nicht tun sollte) oder festgehalten wird, dann braucht man auch kein Nummernschild mehr am Rad. Dann hat man ja die Person.

Radler mit Handy am Ohr auf einem nicht
freigegebenen Gehweg
Es kann natürlich sein, dass ich mir das Kennzeichen des Radlers gemerkt habe, der mich angefahren hat, dass die Polizei ihn also zuhause aufsuchen kann und er dann auch einräumt, dass er es war. Das ist möglich. Was ich mir aber gar nicht vorstellen kann: Sie sehen einen Radler illegal auf dem Gehweg, merken sich sein Kennzeichen, zeigen ihn bei der Polizei an, und die zöge dann los, um den Angezeigten zu befragen. Das wird nicht passieren. Der Radler kann die Tat bestreiten, der Aufwand stünde in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Zur Verfolgung von Regelwidrigkeiten im Verkehr taugen Nummernschilder am Rad nicht.

Radkennzeichen nützen also nicht viel. Wenn das schon die Versicherungswirtschaft so sieht ... Diese Diskussion brauchen wir also nicht mehr wirklich zu führen. 

2 Kommentare:

  1. "Sonst kann der Halter des Fahrzeugs bestreiten, dass er selbst gefahren ist, und sich unwissend stellen, so wie es etliche bei Blitzerfotos tun."

    Ist das wirklich so einfach? Ich dachte, der Halter wäre in diesem Fall verpflichtet, die Person zu nennen, die in Frage kommt, zum fraglichen Zeitpunkt das Fahrzeug geführt zu haben. Weil: Irgendeinem dahergelaufenen Strolch, von dem man weder Name noch sonst irgendwas weiß, wird man ja wohl kaum sein Fahrzeug anvertrauen. Ist zumindest sehr unrealistisch.

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    1. Na ja, wenn die Person, die der Halter benennt, abstreitet, dass sie gefahren ist ... Und dann beschuldigen sich Halter und die andere Person gegenseitig ... Bei uns muss man die Tat/ein Vergehen beweisen. Der gesunde Menschenverstand reicht nicht, um jemandem eine Strafe aufzubrummen. Wie leicht es tatsächlich ist, weiß ich nicht.

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