21. Mai 2016

Wenn du vier Räder hast, darfst du reinfahren, mit zwei Rädern nicht

Die Königstraße ist Fußgängerzone. Während ich mein Fahrrad durchschiebe, kommt mir ein Transporter entgegen. 

Ich drehe mich um und zähle um halb zwölf sechs Autos, die sich in die Fußgängerzone hinein bewegt haben und nun dort stehen.

Da leuchtet es mir eigentlich nicht mehr ein, warum dieser Radfahrer (oder ich) eigentlich noch absteigen soll.
Er (oder ich) kann genauso gut wie die dicken Autos, nur sehr viel schlanker und weniger Platz fordernd, in Schrittgeschwindigkeit hier durchradeln.


Wenn man annimmt, dass von den zahlreichen Autos, die in die Fußgängerzone rollen, keine Gefahr ausgeht, dann geht auch von diesem Radfahrer (und allen anderen) keine Gefahr aus. Falls der Sinn der Fußgängerzone der ist, dass hier Aufenthaltsqualität für Fußgänger/innen geschaffen werden soll, dann sehe ich die Aufenthaltsqualität durch diese Barrieren von Autos und Lieferwagen mehr gestört als durch Radfahrer, die als Teil des umgepanzerten Verkehrs durchradeln. Seltsamerweise regen wir uns über Radfahrer in Fußgängerbereichen unverhältnismäßig auf, aber ich habe noch keinen Zeitungsartikel gelesen, der sich über dieses geballten Lieferverkehr in Fußgängerzonen außerhalb der erlaubten Lieferzeiten ähnlich echauffiert.

Dieses Foto habe ich an einem anderen Tag um 11:47 Uhr an der Bolzstraße aufgenommen. Lieferverkehr ist zwischen 18 und 11 Uhr frei.

Am Aufgang Planie/Schlossplatz ist der Lieferverkehr überhaupt nicht freigegeben. Hier darf niemand reinfahren. Auch dann nicht, wenn er vier Räder unter sich hat.

Übrigens macht das, was man in explizit ausgeschilderten Verbotszonen offenbar eben doch darf, natürlich Schule für alle Gehwege, die nicht als Fußgängerzone ausgeschildert sind. Etwa hier auf dem Gehweg (mit Radfreigabe) und dem Platz vor dem neuen Rede am Marienplatz.

Das weiße Fahrzeug ganz rechts (da machen drei Handwerker Mittagspause und vespern) blockiert auch noch einen Teil der Radständer. Das grüne Auto (zweiter Pfeil von links) steht so, dass weder Kinderwagen noch Mensch mit Rollator vorbeikommt. Der braune Postwagen blockiert ja leider die Auffahrt auf den Platz. Ausgestiegen ist aus dem grünen Auto eine gehbehinderte Frau mit Krücken. Im Wagen wartet die Tochter auf ihre Rückkehr. Offenbar gehen beide davon aus, dass es keine weiteren Gehbehinderten (oder Mütter mit Kinderwagen) auf diesem Fußweg geben wird. Mein Fahrrad muss ich an dem Wagen vorbeischieben, so eng ist der Bereich zwischen Außenspiegel und Grünfläche.

15 Kommentare:

  1. Verkehrs- und Anstandsregeln gelten für Lieferanten nicht. Regelmäßig wird gegenüber dem Kinderhaus mit Grundschule im Step der Gehweg mit Parkverbot zugeparkt, Warnblinker an und ab dafür. Die Kinder müssen sich dann dort vorsichtig vortasten, und dann schräg über die Fahrbahn auf die gegenüberliegende Seite. Wenn man die Fahrer auf das Fehlverhalten freundlich anspricht, sie auf die Situation der Kinder hinweist, und sie bittet weg zu fahren, hört man Aussagen wie "Wo soll ich sonst parken, ich habe ein Paket und keine Zeit". Manchmal garniert mit Fäkalsprache jenseits des Wortschatzes von Grundschülern, deren Bedeutung man danach seinen Kindern erklären muss.

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  2. Stimmt, mir ist auch schon oft aufgefallen, daß Liefer- oder anderer Kfz-Verkehr in den Fußgängerzonen praktisch immer geduldet wird. Gerade das im ersten Bild abgebildete Auto vom SWR steht fast jeden Mittag auf dem Schloßplatz oder auf der anderen Seite der Bolzstraße. Vor dem Königsbau ist öfters ein wilder Parkplatz für LKW.

    Eine zypische Begebenheit, die ich mal beobachtet habe. Zwei Polizisten kontrollieren einen Stand vom DGB gegen Rassismus, während hinter ihnen seelenruhig ein LKW von Omega Sorg über den Wendehammer der Planie in die Fußgängerzone einfährt, und rüber zur Bolzstraße raus. Also nicht mal dort etwas zu tun hatte. Aber völlig unbehelligt.

    Es wird ja gemunkelt daß in Stuttgart Lieferverkehr und Handwerker eine Absprache mit dem Ordnungsamt bzw. Polizei haben daß sie in Fußgängerbereichen tun und lassen können was sie wollen.

    Aber wehe ein Radfahrer fährt langsam durch.

    Martin

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  3. So ist das halt, wenn politische Entscheidungen nicht mehr mit der Realität übereinstimmen: man kann ja nicht zig Regulierungen und Verbote aussprechen und zugleich die Gelder für Personal der entsprechenden Kontrollorgane reduzieren.
    Natürlich gibt es Schilder für etwa Einfahrverbote (Königstraße/Hofener Straße), Nutzungsregeln (Theodor-Heuss-, Tübinger Straße oder Landtagsradweg bzw. Königsstraße) oder leicht Verständliche, wie etwa nicht behindernd die Gehwege zuzuparken, aber all das hilft nicht, wenn diese nicht kontrolliert werden (…können).

    Heutzutage kann man leider davon ausgehen, dass diese Regeln (egal ob nun von Fußgängern, Radlern oder Motorisierten) nicht eingehalten werden, weil man sich recht sicher sein kann in den meisten Fällen nicht dafür belangt zu werden und die etwaigen Strafen gering ausfallen.

    Die Konsequenzen davon nehmen daher groteske Wege, wie etwa die Stadt Stuttgart mit ihrer Tübinger Straße und den hoffnungslosen Versuchen des Zustellens mit Straßenmöblierung eines als offen angedachten Raumes, nur um ein Verbostschild physisch umzusetzen. Aber eben auch die Königstraße: man kann ja nicht als Stadt sagen wir haben hier eine der längsten Fußgängerzonen und lässt nun gewollt oder wegen Überlastung zu, dass diese doch nicht so achsfrei ist.

    Kein Wunder entwickeln sich Tendenzen, die hier von einigen immer gerne als Stasimethoden bezeichnet werden, da es für mach wache Naturen eben nicht erklärlich ist, warum man einerseits Plätze, Areale einrichtet und mit Regeln belegt, diese andererseits aber nicht durchsetzen will oder eben kann.

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  4. Das Fahren in der Fußgängerzone ist hier in Mannheim so extrem, dass der kommunale Ordnungsdienst mal eine Schwerpunktaktion gemacht hat. Danach war es eine Zeit besser, aber weil nicht weiterkontrolliert wurde, hat der Verkehr wieder zugenommen. Es geht also nur mit permanenter Kontrolle, oder wie schon in Straßburg gesehen, mit versenkbaren Pollern. Die sind unten, wenn die Einfahrt erlaubt ist und oben, wenn nicht, ganz einfach. Ich persönlich würde die Zufahrten für die Straßenbahn (fährt in MA durch die Fußgängerzone) noch mit Kameras überwachen und konsequent beknollen. Hier fährt nämlich wirklich jeder, "der etwas wichtiges zu tun hat" (z.B. ins Luxusrestaurant zu kommen, oder nur die Innenstadtumfahrung zu sparen) fährt durch. Selbst die Ladenbesitzer beschweren sich über den Verkehr. Als Fußgänger fühlt man sich mittlerweile wirklich bedrängt und behindert. Wenn ich das Fahrrad dabei habe, muss ich zum Teil Umwege laufen, weil kein Durchkommen ist.
    Viele Grüße aus MA
    Karin

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    1. Vielen Dank, Karin. Bei allen Diskussionen - egal über welche Regelverstöße im öffentlichen Raum (Müll, Falschparken, etc.) - ist immer die Frage, was hilft: Mehr Polizei, mehr Kontrolle, mehr mechanische Infrastruktur (Poller, Mülleimer)? Und am Ende kommen die Diskutierenden kopfschüttelnd auf die Erziehung und die Mentalität der Menschen. Wer möchte schon in einem Kontrollstaat leben? Andererseits möchte man schon, dass gewisse Regeln eingehalten werden. Ein sehr schwieriges gesellschaftliches Thema.

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  5. Lieferverkehr per (Lasten-)Rad ist in den angegebenen Zeiten ja auch frei. *g*

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  6. Verkehrskontrollen mit der Stasi zu vergleichen finde ich erschreckend. Da wird ein Unrechtsregime, das seine Bürger bis in intime Situationen überwacht und ausspioniert hat, nachträglich klein geredet. Das gleiche gilt für die Bezeichnung "Kontrollstaat". Das hat auch rein gar nichts damit zu tun.

    Verkehrskontrollen sind leider notwendig, da die Regeln im Straßenverkehr inzwischen selbstverständlich ignoriert werden. Es kann nicht sein, daß alle leiden müssen, auch über die Steuergelder, die für Poller aufgewandt werden, nur weil es den Leuten daran mangelt Rücksicht auf andere zu nehmen, und diese wie selbstverständlich gefährdet werden.

    Martin

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    1. Wahre Worte, Martin. Da die Regeln alltäglich mit Füßen getreten werden gibt es genau zwei Optionen: Regeln abschaffen, oder Regeln durchsetzen. Ich bin für letzteres und zwar mit Nachdruck und Augenmaß.

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    2. Es gibt halt immer wieder Zeitgenossen, die vergreifen sich in der Wortwahl, wenn sie "hassen". Auch so ein Phänomen. Danke, Martin. Ich frage mich permanent, was besser wäre: Poller oder Polizei, und das frage ich mich demnächst auch in einem Post. Ich weiß es schlichtweg nicht. Klar ist sicher, dass wir nicht genügend Polizei haben, um all die Kontrollen durchzuführen. Es würde sicher helfen, wenn ein Beamter tagsüber die Königstraße abwandern und Autofahrer auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen würde, und das täglich. Aber sobald die Kontrollen aufhören, stehen die Autos wieder dort. Das ist auch beim Parkraummanagement im Westen so. Kaum haben die gemerkt, dass die Politessen gerade im Süden und in Mitte unterwegs sind, haben die Autofahrer ihre Autos wieder auf Ecken und Gehwegen abgestellt.

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  7. Von "hassen" war aber nirgends die Rede, Christine.

    Polizei ist in meinen Augen besser. Poller kosten nur, und werden ignoriert. Denn so dicht aufstellen, daß Autos nicht mehr durch passen, geht bei einer Fußgängerzone nicht. Beispielsweise ist an der Ecke Landhausstr./Werastr./Werfmershalde eine kleine Verkehrsinsel, rundherum bepollert. Trotzdem parkt dort fast jeden Tag jemand.

    Bei einer Fußgängerzone kommt zusätzlich das Problem, daß Rettungskräfte manchmal einfahren müssen. Jede Verzögerung kann da ernsthafte Folgen nach sich ziehen.

    Mehr Personal für das Ordnungsamt wäre da besser, und auch kostenneutral oder Einnahmen generierend. Sowenig Personal wie die derzeit haben ist die Chance erwischt zu werden viel zu gering.

    Und ja, auch Bußgelder rauf, aber das ist Thema für die Bundespolitik. Mehr Ordnungsbeamte kommunal.

    Martin

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  8. Hallo Christine,

    hat zwar nix mitm Thema zu tun, aber ich glaub die Fußgänger-Regelung am Marienplatz(inkl. Ampelabdeckung da Baustelle) könnte für dich ein Post wert sein.

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  9. Im Idealfall steuert man per Nudging. Würde gerne mal deine Überlegungen dazu hören. Ansonsten Automatismen wie Poller. Keine Abhängigkeit zu manuellen Tätigkeiten wie Kontrollen.

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  10. Generell darf SWR-Fahrzeugen kein Verkehrsvergehen toleriert werden, und sei es noch so klein.
    Jeder muss denen unter Zwang Geld dafür zahlen, dass sie Demokratie und Freiheit verteidigen. Dazu gehört auch das Einhalten der Verkehrsregeln.

    Also:
    Beim nächsten Mal gleich Nummer aufschreiben und anzeigen. Parallel das Beschwerdeschreiben an Peter Boudgoust und dessen Sittenwächter. Man hört, dass auch Bundestagsabgeordnete in dieser Sache mitunter gehöriges Engagement entwickeln.

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    1. Ich zeige generell niemanden an, es sei denn es würde sich um ein krasses Fehlverhalten mir ganz persönlich gegenüber handeln. Was bei mir an Autos auftaucht, die sich nicht korrekt verhalten, sind immer nur Beispiele für ein generelles und an solchen Stellen oft beobachtetes Fehlverhalten.

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